VANITAS

 

Typisch für die Vanitasmotivik ist die Verbindung von vollem, sattem Leben mit dem Tod oder Todesboten. Oft ist die Todessymbolik ganz sublim im Bild eingearbeitet, so dass sie sich nur dem wissenden Betrachter erschließt. In anderen Bildern jedoch ist sie auch ganz plakativ und offenkundlich dargestellt.

 

Die provozierende Gegenüberstellung von Leben und Tod in einem Bild ist kennzeichnend für das Barockzeitalter. Auf der einen  Seite waren die Menschen lebenshungrig, bejahten das Leben allen seinen Facetten, aber auf der anderen Seite war ihnen auch die ständige  Bedrohung durch den Tod, dem keiner, sei es Adeliger oder Bauer, entfliehen kann, bewusst.

 

Diese Polarität spiegelt sich auch in den künstlerischen Werken wider. Beispielsweise liegt neben einer schwangeren Frau ein Totenschädel und eine flackernde Kerze steht auf dem Tisch. Eingebettet ist die Szene in unheilvolles, verschleierndes Dunkel.  Hier wird also dem pulsierende Leben in doppelter Hinsicht (Mutter und ungeborenes Kind) sein Ende in der allesverschlingenden Vergänglichkeit aufgezeigt.

 

Typische Vanitaszeichen in der Kunst sind das nächtliche Dunkel als Grundambiente, generell dunkle und tiefe Farbtöne zur Verdeutlichung der allgegenwärtigen Nähe des Todes, die (verlöschende) Kerze, der Totenkopf, Ungeziefer (Käfer, Würmer...), verfaulendes Essen wie beispielsweise Obst...

 

In der Literatur ist einer der Hauptvertreter des Vanitasthemas Andreas Gryphius. Er  wählte es als Leitmotiv seines Werkes, es ist kennzeichnend für seine Texte. Schon die Überschriften weisen deutlich auf den schwerwiegenden, düsteren Inhalt der Gedichte hin: vanitas, vanitatum, et omnia vanitas, Trawrklage des Autoris / in sehr schwerer Kranckheit, Der Welt Wollust ist nimmer ohne Schmertzen, Menschliches Elende...

 

In der Barockliteratur findet sich eine große Bandbreite von Gedichten, die sich dem Vanitasgedanken widmen und ihn in verschiedenen Facetten bearbeiten. Das Vanitasmotiv ist Ausdruck eines umfassenden Zusammenhangs, der die Menschen des Barock vereint. Das irdische Leben ist einmalig, es wird sehr diesseitig ausgelebt. Die wahre Bestimmung des Menschen aber ist es, ins Jenseits einzugehen und ein Teil der göttlichen Ewigkeit zu werden.

 

Eine nackte Frau, Sinnbild der barocken Vorstellung von Sinnesfreude, liegt lasziv aufgestützt auf einem Totenkopf. Das irdische Leben und die Schönheit wird hier parodiert mit dem überdeutlichen Todeszeichen des Totenschädels. Über der Frau befindet sich die Aufschrift "EVA PRIMA PANDORA": Pandora ist in der griechischen Mythologie eine verführerische Frau, die am Unheil der Menschheit schuld trägt. In ihrer Büchse befinden sich die zahlreichen Übel der Welt. Hier wird also Eva, nach der Schöpfungsgeschichte die erste Frau, die Adam zum Apfel, und damit zum Sündigen  verführte mit einer unheilbringenden Gestalt aus einem anderen Denkzusammenhang verglichen. Diese Doppelung weist auf die Frau hin, wie sie im Barock oftmals dargestellt wird, nämlich als verfänglich - verführerisches Wesen. 

 

   

Vanitas

Es ist alles Eitel.

Sonett von Andreas Gryphius

 

DV sihst/ wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden.

Was diser heute baut/ reist jener morgen ein:

Wo itzund Städte stehn/ wird eine Wisen seyn/

Auff der ein Schäfers- Kind wird spilen mit den Herden:

Was itzund prächtig blüht/ sol bald zutretten werden.

Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein/

Nichts ist/ das ewig sey/ kein Ertz/ kein Marmorstein.

Itzt lacht das Glück uns an/ bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Thaten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.

Soll denn das Spil der Zeit/ der leichte Mensch bestehn?

Ach! was ist alles diß/ was wir vor köstlich achten/

Als schlechte Nichtigkeit/ als Schatten/ Staub und Wind;

Als eine Wisen-Blum/ die man nicht wider find`t.

Noch will was Ewig ist kein einig Mensch betrachten!

 

Menschliches Elende

Andreas Gryphius

 

Was sind wir Menschen doch? ein Wohnhauß grimmer Schmertzen

Ein Ball des falschen Gluecks/ ein Irrlicht dieser Zeit.

Ein Schauplatz herber Angst/ besetzt mit scarffem Leid/

Ein bald verschmelzter Schnee und abgebrante Kertzen.

Diß Leben fleucht davon wie ein Geschwaetz und Schertzen.

Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid

Und in das Todten-Buch der grossen Sterbligkeit

Laengst eingeschrieben sind/ sind uns aus Sinn und Hertzen.

Gleich wie ein eitel Traum leicht aus der Acht hinfaellt/

Und wie ein Strom verfleust/ den keine Macht auffhaelt:

So muß auch unser Nahm/ Lob/ Ehr und Ruhm verschwinden/

Was itzund Athem holt/ muß mit der Lufft entflihn/

Was nach uns kommen wird/ wird uns ins Grab nachzihn.

Was sag ich? wir vergehn wie Rauch von starcken Winden.

 

Einsambkeit.

Andreas Gryphius

 

In dieser Einsambkeit / der mehr denn öden wüsten /

Gestreckt auff wildes Kraut / an die bemößte See:

Beschaw' ich jenes Thal vnd dieser Felsen höh'

Auff welchem Eulen nur vnd stille Vögel nisten.

Hier fern von dem Pallast; weit von des Pövels lüsten /

Betracht ich: wie der Mensch in Eitelkeit vergeh'

Wie auff nicht festem grund' all vnser hoffen steh'

Wie die vor abend schmähn / die vor dem tag vnß grüßten.

Die Höell / der rawe wald / der Totenkopff / der Stein /

Den auch die zeit aufffrist / die abgezehrten bein.

Entwerffen in dem Mut vnzehliche gedancken.

Der Mauren alter grauß / diß vngebaw'te Land

 schön vnd fruchtbar mir / der eigentlich erkant /

Das alles / ohn ein Geist / den Got selbst hält / muß wancken.

 

 

Geschichtlicher Hintergrund des Barocks

 

Die Epoche Barock ist grob gesagt zwischen 1550-1750 einzuordnen. Vielmehr bestimmen zwei Phänomene die Epoche, die an sich gegensätzlich sind wie der Barock. Mitte bzw. Ende des 16. Jahrhunderts ist der Beginn der Neuzeit anzusetzen: Eine wirtschaftliche, wissenschaftliche, soziale und politische Umwälzung. Entdeckungen in der Astronomie und Medizin erschüttern das Weltbild der Menschen.

 

Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) stellt eine tödliche Bedrohung für das Seelenheil da, denn er ist ein Religionskrieg, ein Kampf um die religiösen Bekenntnisse (Gottesbilder), der Konfessionen, katholisch gegen protestantisch. Er zerstört die Freiheit der Christenmenschen indem er ihnen vom jeweiligen Herrscher ein von ihm festgelegter Glaube aufzwingt. Der Krieg findet hauptsächlich auf deutschen Boden statt. Ein Drittel der deutschen Bevölkerung stirbt in diesem Krieg und besiegelt die Zerrissenheit des deutschen Volkes.

Eine weitere Erscheinung ist der Epoche ist der Absolutismus: er breitet sich nicht auf der nationalen Ebene aus sondern auf vielen kleineren und größeren Höfen. Das absolutistische Hofleben ist widersprüchlich, auf der einen Seite steht das strenge und starre Hofzeremoniell und auf der anderen der ausgeprägte Repräsentationszwang.

Ebenso steht die Gesellschaft im Widerspruch, was sich in der Literatur der Zeit ausdrückt: Sinnenfreude und Weltschmerz, Lebensgier und Sehnsucht nach dem Jenseits - dem Tod (Vanitas-Motiv).

 

Spätere Generationen empfanden die Kunst, Literatur und das Lebensgefühl zu übertrieben, schwülstig und überladen, und gaben dieser Epoche den Namen "Barock". Das Wort "Barock" kommt aus dem portugiesischen und bedeutet soviel wie schiefe oder unregelmäßige Perle. 

 


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