EMBLEMATIK

Affenliebe

 


 

Emblem aus Guillaume de La Perrière, Le Theatre des bons engins 1539

   

 

Der Affe umarmt seine Jungen so stürmisch, daß er sie in der Umarmung tötet. Mancher Vater hegt zu seinen Kindern eine so närrische Liebe, daß daraus großes Unglück entsteht. Weil er sie zu stark und töricht liebt, duldet er schweigend ihre Frechheit. Und sind sie dem Kindesalter entwachsen und groß geworden, dann sind sie unverbesserlich. Dann ist es zu spät, sie anzuschreien und auszuschelten, wenn ihnen großes Unglück zugestoßen ist. 

     


 

Manche Beobachtungen von Verhaltensweisen der Tiere, die in den alten Naturkundebüchern niedergeschrieben sind und dann als Gleichnis in Epigrammen dienten, interpretiert man heute, nüchterner Objektivität verpflichtet, anders als die klassische Literatur, wie hier in diesem, das nach einer Äsopschen Fabel übermäßige Elternliebe verdeutlicht. In einem anderen Epigramm bei Camerarius heißt es: "Oft ist sogar die Liebe schädlich. Der Affe erwürgt mit seiner Zärtlichkeit das Äffchen. Vor diesem Fall hütet euch, ihr Väter."

 

Selbstverständlich tötet keine Affenmutter ihr Kind in zärtlicher Umarmung, wie das Äsop in seinen Fabeldichtungen und Plinius in seiner Naturkunde darstellten. Doch wer sich mit der Haltung und Zucht von Affen beschäftigt, muß erfahren, daß Äffinnen totgeborene oder kurz nach der Geburt gestorbene Junge noch tagelang mit sich umhertragen. Die Gestalt des Neugeborenen allein löst als Schlüsselreiz das Pflegeverhalten der Affenmutter aus, gleichgültig, ob für ein totes oder lebendes Junge. Gesunde Neugeborene halten sich aus eigener Kraft so im Haarkleid der Mutter fest, daß sie nicht zusätzlich noch gestützt werden müssen. Schwache oder tote Junge aber preßt die Äffin an ihren Körper, und weder die Tatsache, daß sich ein totes Jungtier nicht selbst festhält noch, daß es sich rasch zersetzt, veranlaßt die Affenmutter, sich von ihm abzuwenden. Erst nach Tagen, wohl weil keine Milch abgesaugt wird, legt sie endlich das tote Kind beiseite. Daß aber ein lebloses Affenkind anders als ein lebendes von der Mutter fest an den Körper gepreßt wird, mag schon im Altertum beobachtet worden sein.

  

 


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